
Neue Einträge über NS-Verfolgte im "Gedächtnisbuch Oberösterreich"
Das "Gedächtnisbuch Oberösterreich" wächst weiter: Neun weitere Biografien von oberösterreichischen Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden oder ihr Leben durch widerständiges Handeln gefährdeten, wurden am Mittwoch im Linzer Mariendom präsentiert. Dieses Jahr stand die Präsentation im Zeichen von 80 Jahren Ende des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. Das 57 Beiträge umfassende Gedächtnisbuch kann im Mariendom Linz sowie im Linzer Schlossmuseum aufgeschlagen werden. Eine digitale Fassung findet sich auf der Webseite des Franz und Franziska Jägerstätter Institut an der KU Linz (www.ku-linz.at/gedaechtnisbuch_ooe).
Unter der Moderation des Theologen und Autors Thomas Schlager-Weidinger (Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz) stellten die Beitragenden die erarbeiteten Biografien bei einer Veranstaltung am Mittwochabend vor und präsentierten anschließend die frisch eingefügten Seiten.
So setzte sich etwa ein Sohn mit seinem ermordeten Vater, einem Mitglied der "Welser Gruppe", ein Widerstandsnetzwerk, das sich zwischen Ebensee, Steyr und Linz erstreckte, auseinander. Der Pädagoge und Autor Bernhard Riepl sowie die Historikerin Erna Putz haben den Bauernsohn und Priester Josef Jílek (Kaplitz/Tschechien) eingetragen, der aufgrund seiner Teilnahme am tschechischen Widerstand 1942 verhaftet und am 20. April 1945 in der Haftanstalt Brandenburg-Görgen hingerichtet worden war. Unter den Biografien befindet sich auch die Familie Langthaler-Hackl (Bez. Freistadt), die während der "Mühlviertler Hasenjagd" zwei geflohene ukrainische Häftlinge retteten.
Die fortlaufend erweiterte regionale Biografiensammlung wächst seit 2019 jährlich um ausgewählte vierseitige Biografien, die aus Text, Bild oder Dokumenten ein "bleibendes Zeugnis" schaffen, so die Initiatoren. Das großformatige Buch verstehe sich dabei "nicht in Opposition zu digitalen Medien und deren Flüchtigkeit, sondern ist als Referenz an die zerstörerische Gewalt der Nationalsozialisten gedacht, die in den Bücherverbrennungen vor 90 Jahren, am 10. Mai 1933, zum Ausdruck kam".
Scheuer: "Frieden wahren, fördern und erneuern"
Bischof Manfred Scheuer hob in seinen Schlussworten jene Priester, Laien, Männer und Frauen hervor, die als Einzelne die Kraft hatten, dem Ruf ihres Gewissens zu folgen und Widerstand zu leisten. Scheuer nannte in diesem Zusammenhang Franz Jägerstätter, Engelmar Unzeitig, Johann Gruber und Matthias Spanlang. Opfer, Zeugen und Märtyrer hätten der Barbarei standgehalten und wollten das Unrecht nicht mitmachen. Sie hätten Widerstand geleistet und Verfolgten geholfen.
"Es gab in der damaligen Zeit Gerechte, die sich nicht vom Sog der Ideologie haben mitreißen lassen", so Bischof Scheuer. Es dürften aber auch jene nicht vergessen werden, "die allein durch eine erkennbare und bewusste christliche Lebensführung aneckten und persönliche Konsequenzen fürchten mussten. Ihr Lebenszeugnis soll Ermutigung sein, die Erinnerung an jene Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten, die in der Nachkriegszeit auch in der Kirche oft recht schnell vergessen wurden".
Scheuer erinnerte zudem an das Geschenk einer 80-jährigen Friedenszeit in Österreich. Auch 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bleibe es zentrale Aufgabe, den Frieden zu wahren, zu fördern und zu erneuern, betonte der Linzer Diözesanbischof. "Wir wissen: Es gibt keinen dauerhaften Frieden ohne Gerechtigkeit, ohne den Schutz der Menschenrechte, ohne Freiheit und ohne die Achtung des Rechts."
Besonderes Gedenkprojekt
Das seit 2019 bestehende Gedächtnisbuch Oberösterreich verbinde Wissenschaft und Forschung mit gelebter partizipativer Erinnerungskultur, erklärten die Initiatoren. Das Projekt umfasst die diversesten sozialen Gruppierungen, Altersgruppen, Weltanschauungen, Verfolgungsgründe, auch solche, deren Erinnerung teils bis in die Gegenwart eine Leerstelle darstellen. Um Teil des Projekts zu werden, können sich Interessierte an das "Franz und Franziska Jägerstätter Institut" wenden (ffji@ku-linz.at).
Quelle: kathpress